Reiseanbieter

Laura Meyer freut sich, wenn demnächst wieder mehr Betrieb im Glaspalast von Glattbrugg herrscht - denn sie bevorzugt kollaboratives Arbeiten. Bild: TN

«Wir sind sehr positiv hinsichtlich des Sommergeschäfts»

Jean-Claude Raemy/Gregor Waser

Laura Meyer, seit Jahresbeginn CEO der Hotelplan Gruppe, äussert sich im grossen Travelnews-Interview zum aktuellen Geschäftsgang, zu ihren Erwartungen für die nahe Zukunft von Firma und Branche sowie zu eigenen Reise-Vorlieben.

Seit bald 100 Tagen ist Laura Meyer als CEO der Hotelplan Group im Amt. «Corona oblige» waren ihre öffentlichen Auftritte in dieser Rolle bislang spärlich, mit Ausnahme eines Auftritts an der ITB, doch hinter den Kulissen wirbelt die Spitzenmanagerin dem Vernehmen nach bereits beträchtlich. Die «neue Frische» zeigt sich gleich schon eingangs des Interviews, welches live am Hotelplan-Hauptsitz und nicht etwa per Zoom stattfindet und zu Beginn dessen der übliche Kartentausch ausfällt («heute läuft das alles über LinkedIn»). Meyer ist zugänglich, lacht viel, wirkt entspannt und konzentriert zugleich - und bietet interessante Einblicke in ihre Vision der Branche, die wir im nachfolgenden Interview festhalten.


Frau Meyer, bei Ihrer Berufung in den Hotelplan-Verwaltungsrat hiess es, dass sie als E-Commerce-Spezialistin vor allem die digitale Distribution verstärken würden, und ihr digitales Know-how wurde auch bei der Wahl zum CEO hervorgehoben. Worauf muss man sich nun in naher Zukunft bei Hotelplan einstellen?

Laura Meyer: Es gibt jene, die Digitalisierung betreiben, weil sie «Techies» sind, also vom Technischen fasziniert. Ich bin durchaus auch technisch interessiert, aber darin liegt nicht meine Hauptmotivation. Geprägt haben mich eher Fragen hinsichtlich Konsumentenverhalten und Megatrends, an welche sich Unternehmen anpassen müssen, um erfolgreich zu sein. Also Themen wie Strategie, Transformation, Marketing & Sales, deren grundlegende Frage ist, wie man gewisse Themen kommerzialisieren kann, dass es dann bei der PnL [Profit & Loss, Anm.d.Red.] aufgeht. Digitalisierung ist hier ein wesentliches Instrument. Kurz: Auch wenn ich immer als Erste das neue Handy haben wollte, komme ich nicht aus einem klassischen technologischen Background, sondern einem strategischen. Mich interessieren folglich auch ganz andere Fragestellungen, etwa hinsichtlich der Nachhaltigkeit, sehr stark.

Sie wollen keine Reduktion auf die Rolle als «digitaler Transformator»?

Meine diversen Ausland-Aufenthalte und die Tätigkeit in unterschiedlichen Industrien haben mich beruflich geprägt. Der Blick auf das Thema Digitalisierung ist wichtig, aber ich kann mich sicher noch in sehr viel anderen Themen massgeblich einbringen, eben bei Monetarisierung, Transformation und dergleichen.

Gerade Letzteres ist aktuell wichtiger denn je. Dann lassen Sie uns anders fragen: Wo sehen Sie aktuell die grössten Baustellen in Ihrem Unternehmen?

Ich kannte das Unternehmen ja bereits aus der VR-Perspektive, also die grossen Themen. In meinen ersten 100 Tagen habe ich mich nun zunächst mit dem Personal und diversen operativen Themen vertraut gemacht. Und dabei natürlich auch die kurzfristigen Prioritäten festgelegt, mittels welcher wir kurzfristig erfolgreich sein wollen. Wir befinden uns in einem Projekt, in welchem wir gruppenübergreifend gemeinsam und umfassend Themen wie Produkt, Vertrieb, Kundensegmente und Inhouse benötigte Fähigkeiten analysieren. Weiter wird geschaut, wo es vermehrte Synergien geben kann. Zentrale Themen sind dabei unter anderem das Kundenerlebnis und die Nachhaltigkeit. Das geschieht sehr kollaborativ und nicht etwa, indem ich im Elfenbeinturm darüber nachdenke.

Damit sind wir beim Thema Führungskultur. Wie würden Sie denn Ihren Führungsstil charakterisieren?

Mir ist Vertrauen sehr wichtig, also dass man sich aufeinander verlassen kann. Das bedingt Offenheit und auch Kritikfähigkeit bei allen Involvierten - und auch den Mut, bei Bedarf Unterstützung anzufordern. Führung bedeutet natürlich auch, eine Vision und einen Sinn zu vermitteln, wie auch klare Ziele auf allen Ebenen. Meine eigene Rolle sehe ich am liebsten als «Unterstützerin», die hilft, Erfolge zu ermöglichen und Probleme aus dem Weg zu räumen, wenn es irgendwo nicht läuft. Talentförderung ist mir ebenfalls wichtig.

War Letzteres in dieser weitgehend kontaktlosen Zeit nicht schwierig?

Doch. Mir sind Nahbarkeit und der Kontakt mit unseren Mitarbeitenden wichtig. Das war in dieser Zeit mit Kurzarbeit und Home Office natürlich schwierig. Wir haben deshalb neue Formate geschaffen, mittels welchen wir innerhalb der Gruppe länderübergreifend in Kontakt bleiben und uns gegenseitig den Puls fühlen konnten. Dabei kamen auch viel Feedback und kritische Töne. Ich begrüsse dies: Die Zeit der unfehlbaren CEOs ist vorbei. CEOs müssen Teamplayer sein.

«CEOs müssen Teamplayer sein.»

Kommen wir mal zum Geschäftsgang. Das Geschäftsjahr 2019/2020 war das Schlimmste in der Hotelplan-Geschichte. Was sind denn nun Ihre Annahmen für das Geschäftsjahr 2020/2021?

Die Annahmen sind pro Business natürlich unterschiedlich. Interhome beispielsweise ist sehr gut unterwegs, auch wenn noch nicht zurück auf dem Niveau von 2019. Besonders das Schweiz-Geschäft läuft gut. Das ist auch bei Hotelplan Suisse so, obwohl dort natürlich das Schweiz-Geschäft einen kleinen Teil des Gesamtumsatzes ausmacht. Im UK-Geschäft, hauptsächlich einem Wintergeschäft, hatten wir jetzt zwar einen sehr schlechten Winter, aber die Vorausbuchungen für den Winter 21/22 sehen super aus. Wir sind dort so gut unterwegs wie noch nie - sprich, auch die Konsumenten sind zuversichtlich, dass es noch in diesem Jahr wieder losgeht.

Was ich sagen will: Es ist nicht alles schlecht. Und, um Ihre Frage konkret zu beantworten: Wir sind sehr positiv hinsichtlich des Sommer- und Herbstgeschäfts. Sobald die Destinationen aufmachen, werden schnell viele Buchungen kommen. Dies, weil die Impfraten kontinuierlich steigen - es wäre schön, würde es schneller gehen, aber es zeigen sich konkrete Fortschritte. Kurz: Wir gehen auch wieder «Commitments», etwa im Charter-Bereich, ein.

Aber die Situation ist, gerade von Behördenseite her, weiterhin volatil. Auch im letzten Frühjahr gab es optimistische Aussagen zum Herbst und Winter.

Das ist schon so und wir haben 2020 schmerzhaft gelernt, dass Voraussagen schwierig sind. Aber es gibt aktuell immer mehr positive Signale und wir glauben fest daran, dass sich der Knopf in den kommenden Monaten löst. Wir wissen anhand von Erhebungen, dass unsere Kunden zum Reisen gewillt sind, und sind dafür bereit. Alle unsere Reisebüros sind seit dem 12. April wieder geöffnet und das Personal wird sukzessive aus der Kurzarbeit zurückgeholt. Dieser Prozess ist bereits angelaufen.

Wie sieht es mit dem Thema Business Travel aus?

Auch da wird es einen Nachholbedarf geben. Wobei wir schon auch denken, dass die Erholung in diesem Bereich länger dauern wird als im herkömmlichen Touristikgeschäft. Wobei: Ich habe mehrere Reports zu dieser Frage gelesen, und die darin formulierte Meinung lautet jedes Mal anders. Selber denke ich, dass das Gesamtgeschäft nie mehr auf dasselbe Niveau wie vorher kommen wird. Technologische Lösungen haben viele Flugreisen obsolet gemacht. Das ist für die Effizienz der Mitarbeitenden besser wie auch für die Firmen, die so Kosten einsparen können.

Aber: Es gibt durchaus noch einen Bedarf für Geschäftsreisedienste. Mit BTA First Travel und Finass haben wir Anbieter im Portfolio, welche bewusst auf Service und Qualität setzen. Deren Mitbewerber setzen mehr auf Volumen und Automatisierung und lagern zum Beispiel Servicecenters ins Ausland aus. Diese Strategie kann man verfolgen. Unser Fokus liegt bei den Geschäftsreisen aber weniger auf globale Volumenkunden und mehr auf Schweizer KMUs bzw. mittelgrosse Unternehmen mit Schweizer Sitz. Unser Modell zeigt schon jetzt Erfolg: Wir haben in den vergangenen Monaten sechs Mal mehr neue Kunden dazugewonnen als wir verloren haben. Kurz: Wir können in diesem kleiner gewordenen Markt durchaus noch Anteile gewinnen.

«Wir haben keine Kunden hängen lassen.»

Ist das Volumengeschäft bei Geschäftsreisen nicht attraktiv?

Anbieter mit sehr grossen Kunden setzen darauf, dass sie ihre Stückkosten pro User tief halten können, was teils zum Einsatz von wenig benutzerfreundlichen Eingabemasken führt. Es gibt inzwischen auch rein digitale Anbieter. Dadurch haben sie tiefe Preise. Diese Geschäftsmodelle haben auch ihre Berechtigung. Wir sind beim Preis schon kompetitiv, aber es ist nicht unser Anspruch, der günstigste zu sein. Bei gewissen Ausschreibungen machen wir schon gar nicht mehr mit. Wir setzen auf persönlichen Service und Kunden, die auch bereit sind, dafür zu bezahlen.

Man hört diese Argumentation immer wieder in der Schweiz. Früher hiess es, die Hotelplan Group als wenig globaler Player würde abgehängt von anderen Grossveranstaltern. Diese Re-Fokussierung auf die Schweiz und auf Service, diese «Client Centricity», kommt Ihnen nun also zu gute?

Der Fokus auf unsere Kundschaft kommt uns auf jeden Fall zu gute. Wobei ich festhalten möchte, dass «Client Centricity» nicht unbedingt nur mit Kundenkontakt zu tun hat. Für mich bedeutet dies vielmehr auch, dass wir unterschiedliche Kunden unterschiedlich ansprechen können, indem wir diese kennen und verstehen. Das lief und läuft viel über persönlichen Kontakt, aber nicht nur. Wir müssen in allen Kanälen präsent sein, es braucht Technologie-Investments bei CRM, Data Analytics und mehr. Aber wir müssen auch festlegen, welchen Kanäle bei welchem Geschäftsbereich zu priorisieren sind.

Welchen Fokus legt man da bei Hotelplan Suisse?

Gerade im letzten Jahr hat sich der starke Kundenfokus auch im persönlichen Kontakt ausbezahlt. Wir haben keine Kunden hängen lassen, keiner unserer Kunden hat Geld verloren. Refunds haben wir vorfinanziert. Wir haben uns bei Änderungen von Einreisebestimmungen proaktiv bei Kunden gemeldet. Vor allem im Spezialistengeschäft ist dies unabdingbar. Und dann gibt es aber auch das Volumengeschäft. Dort sind Kunden weniger an Service interessiert und buchen oft rein digital. Dafür haben wir zum Beispiel Migros Ferien. «Client Centricity» heisst dann dort, dass wir mittels Technologie dessen Vorlieben kennenlernen. Der Mix aus Technologie und persönlichem Service muss, wie bereits gesagt, je nach Geschäftsmodell sauber austariert sein.

Und noch zum Kommentar hinsichtlich unserer internationalen Stärke: Genau wegen der fehlenden Skalierungsmöglichkeiten haben wir ja 2019 den deutschen Anbieter Vtours übernommen. Das hat uns neue Möglichkeiten eröffnet.

Allerdings sind die Vtours-Zahlen im Corona-Jahr noch stärker zusammengebrochen als bei Hotelplan Suisse...

Vtours ist hocheffizient und voll dynamisch. Die Firma ist auf tiefer Kostenbasis in den letzten Jahren enorm gewachsen. Das hat es uns erlaubt, die Firma bei Ausbruch der Krise letztes Jahr in einen «Winterschlaf» zu versetzen. Wir wussten, dass jede dort getätigte Buchung noch mehrmals würde umgebucht werden. Das lohnte sich nicht. Wir haben den hohen Umsatzverlust folglich in Kauf genommen, was eben dank der tiefen Kosten möglich war. Vtours ist jetzt wieder aktiv; die Situation ist gerade in Deutschland noch sehr angespannt aber wir gehen davon aus, dass die Umsätze dort sehr schnell wieder massiv wachsen werden, wenn es losgeht.

«Das aktuelle Geschäftsjahr für die Hotelplan Gruppe wird besser sein als das letzte.»

Kommen wir kurz auf Ihre Aussage von vorhin zurück: Wie könnte eine engere Zusammenarbeit zwischen Vtours und Hotelplan Suisse aussehen? Bei Hotelplan Suisse gibt es schon einen grossen Bereich Dynamic Packaging, Vtours agiert ähnlich.

Wir schauen uns natürlich an, wie diese beiden Unternehmensteile enger zusammenarbeiten können. Gewisse Synergiepotenziale liegen ja auf der Hand. Was wir konkret sagen können: Es findet bereits eine technologische Migration statt. In deren Rahmen werden auch Prozesse angeschaut, dies natürlich nicht nur auf technologischer Ebene.

Die komplette IT über die gesamte Gruppe hinweg wird übrigens ebenfalls analysiert, mit dem Ziel, die System- und Prozesslandschaft der verschiedenen Business Units der Hotelplan Gruppe noch schneller zu harmonisieren und so die Basis für weitere Synergien innerhalb der Einheiten zu legen.

Das Unternehmen rückt also zusammen. Da wäre ein erfahrener IT-Chef wichtig und just jetzt verlässt IT-Chef Pablo Castillo das Unternehmen...

Das bedaure ich natürlich sehr stark. Aber Pablo hat uns frühzeitig informiert, er hat ein sehr starkes Team aufgebaut und ist ja noch bis September da. Wir werden bis dahin einen valablen Ersatz gefunden haben. Hat diese neue Person bereits ein Verständnis für Travel-spezifische Themen, ist dies durchaus von Vorteil, aber es ist für den neuen CIO nicht die einzige oder zwingend wichtigste Anforderung.

Kommen wir nochmals aufs Geschäftsjahr zurück, welches wir vorhin gestreift haben. Dieses begann im Oktober mitten in der Krise und wurde seither tendenziell nicht besser - und Sie nahmen die normalen Monate, welches es im letzten Geschäftsjahr noch hatte bis zum Beginn der Coronakrise, dieses Mal nicht mit. Wird 2020/2021 noch schlechter als 2019/2020?

Das Jahr hat in der Tat nicht gut angefangen. Aber «bottom line» wird das aktuelle Geschäftsjahr für die Hotelplan Gruppe besser sein als das letzte. Weil wir eben an den Sommer und den Herbst glauben und wir auch auf Kostenseite einiges unternommen haben. Sprich: Das Skigeschäft bei Hotelplan UK ist verloren, das kommt dann erst im kommenden Geschäftsjahr wieder. Business Travel wird vorerst auf tiefer Schiene bleiben. Aber beim klassischen Reisegeschäft bei Hotelplan Suisse und Vtours sowie bei Interhome haben wir schon einige Erwartungen für dieses Jahr.

Sie sprechen die Kostenseite an: Letztes Jahr kam es bei Hotelplan Suisse zu 170 Entlassungen, bei der Gruppe insgesamt zu 425 Entlassungen. Wo wurden die 255 weiteren Entlassungen innerhalb der Gruppe vorgenommen?

Das war bei Hotelplan UK sowie bei der Interhome Group. Die weiteren Business Units waren praktisch nicht betroffen.

«Die Mitarbeitenden müssen wieder an Systeme und Produktkenntnisse herangeführt werden.»

Sie haben vorhin die Charterplanung angesprochen. Details dazu werden erst in Kürze kommuniziert. Aber was kann man dazu sagen in Bezug auf die Modi der Charterplanung, etwa in Bezug auf Absicherung der Risiken oder der Zahlungsmodalitäten? Dies vor dem Hintergrund der Aussagen von Interhome-Chef Jörg Herrmann, wonach man «die Reisebranche neu denken» müsse...

Zunächst mal: Im Verhältnis zu früher sind die Risiken heute sehr viel tiefer. Zwischen «ein paar Sitze reservieren» und einem Vollcharter gibt es viele «shades of grey»; wir bewegen uns aktuell vor allem in dieser Grauzone. Ob sich bei der Beschaffungsart und den Zahlungsmodalitäten Änderungen ergeben, wird sich erst noch weisen müssen.

Aber nimmt das Chartergeschäft infolge der Verknappung im generellen Fluggeschäft nicht wieder zu? Was dafür sprechen würde, wieder mehr Risiken aufzunehmen?

Genau aus diesem Grund gehörten wir zu den ersten, welche überhaupt wieder Charterplätze für Sommer und Herbst reservierten. Wir haben festgestellt, dass wegen der angesprochenen Verknappung beispielsweise die Flugpreise nach Ägypten vor Ostern auf sehr hohem Niveau verblieben sind. Bei Mallorca gab es einen Jojo, mit anfangs tiefen, dann schnell gestiegenen Preisen, bis wieder Zusatzflüge kamen. Da hilft clevere Charterplanung schon, um solche Effekte abzufedern und um den Kunden attraktive Preise anbieten zu können.

Gleich wieder Vollcharter-Risiken einzugehen, wäre aber auch sinnfrei. Es ist viel Kapazität vorhanden und die Verknappung im Flugbereich lässt sich aktuell relativ schnell beheben, zumal auch die B737Max wieder im Verkehr sind. Die Airlines werden ihre Flugpläne optimieren, die Hotels werden sich auch genau überlegen, wie sie vorgehen. Das heisst für uns: Wir müssen flexibel bleiben.

Stellen Sie denn aktuell weiterhin hohe Kurzfristigkeit bei den Buchungen fest? Oder wird auch schon wieder längerfristig gebucht?

Für das Frühjahrsgeschäft ist alles extrem kurzfristig. Ich habe selber auch noch keine Frühlingsferien gebucht und schaue mir die Lageentwicklung an. Aber für längerfristige Zeiträume kommen jetzt immer mehr Buchungen. Man kann sagen: Die «Consumer Confidence» setzt ab etwa Juli ein. Das hat wie bereits erwähnt mit Impfquoten und einem Nachholbedarf bei Reisen zu tun. Deshalb sind wir eben auch zuversichtlich für den Sommer. Es braucht einfach klare Regelungen in den Zielgebieten. Das wird passieren, denn gerade die Mittelmeerländer brauchen den Tourismus. Sommerferien werden möglich sein, aber natürlich erwarten wir noch keine Levels wie 2019.

Sie haben vorhin gesagt, Sie machen sich bereit für die Rückkehr der Nachfrage. Was beinhaltet denn dies konkret?

Bei Interhome werden beispielsweise viele Häuser wieder bereitgestellt. Bei Hotelplan Suisse wurden wie bereits erwähnt die Filialen wieder geöffnet, teilweise noch mit eingeschränkten Öffnungszeiten. Die Portfolios wurden angepasst, etwa mit mehr kleineren Hotels als grossen «Bettenbunkern», weil das eher dem Bedürfnis unserer Gäste entspricht. Hotelverträge werden nachverhandelt, etwa auf Mallorca. Die Charterplanung ist weit fortgeschritten. Das Marketing wird langsam hochgefahren. Die Mitarbeitenden waren teilweise stark in Kurzarbeit und müssen also wieder an Systeme und Produktkenntnisse herangeführt werden; das passiert bereits proaktiv. Ja, wir sind in den «Starting Blocks»!

«Wir wollen und müssen als Gesamtkonzern dem Kunden multiple Optionen bieten.»

Aber die eigentlichen Restart-Faktoren haben Sie nicht in der Hand...

Wir vertrauen darauf, dass unsere Politik das hinbringt und das Land bzw. die Wirtschaft bald aus der Krise herausführt.

Und Sie sehen zu, dass ein an sich behäbiges Unternehmen wie ein Grossveranstalter, der zu einem noch grösseren und schwerfälligen Unternehmen wie der Migros gehört, dynamisch bereit ist.

Ich bin ein Migros-Kind und kenne den Migros Genossenschafts-Bund seit mittlerweile mehr als zwei Jahren auch von innen her. Und ich finde dieses Unternehmen alles andere als behäbig. Hier gibt es viele Produktinnovationen, im Digitalbereich ist die Migros, nicht nur mit Digitec-Galaxus, top. Und die Hotelplan Gruppe hat wohl, beispielsweise mit all den Umbuchungen im letzten Jahr, auch bewiesen, dass sie nicht ein behäbiges, sondern ein flexibles und dynamisches Unternehmen ist.

Dass grosse Unternehmen viel Power beim Entwickeln neuer Produkte haben, ist ausser Frage. Es ging uns mehr um die Frage, ob solche Gebilde auch bei radikalen Transformationen genügend schnell sind.

Die Vernetzung mit der Migros ist für uns wie auch für die Migros wichtig. Wir haben aber operativ eher wenige Touchpoints mit der Migros. Hotelplan ist über einen Verwaltungsrat geführt, und darin sitzen je hälftig Reiseexperten und «Externe»: Thomas Stirnimann und Norbert Munsch auf Touristik-Seite, Fabrice Zumbrunnen und Jörg Zulauf auf Seiten MGB. Das geht gut auf. Wenn es etwas anzusprechen gibt, erfolgt dies direkt und unkompliziert. Ich empfinde unsere Einbettung in der Migros also durchaus als dynamisch.

Was ist eigentlich Ihr innigster Wunsch für die Reisebranche als Ganzes? Sprich, welche Themen liegen Ihnen in naher Zukunft besonders am Herzen?

Kurzfristig natürlich, dass wir aus der Covid-Krise herauskommen. Langfristig denke ich, dass uns das Thema Nachhaltigkeit lange und intensiv beschäftigen wird. Ich pflege zu sagen «Nachhaltigkeit ist das neue Digital» - sprich, wir sind bei der Technologie in der Branche oft schon weit fortgeschritten, aber im Bereich der Nachhaltigkeit erst am Anfang. Wir wollen mehr Kunden zu Kompensationen bewegen, das Unternehmen selber mit einem möglichst tiefen ökologischen Fussabdruck versehen und mehr.

Das ist zweifelsfrei wichtig. Entspricht dies aus Ihrer Sicht aber auch wirklich einem - quasi monetarisierbaren - Kundenbedürfnis?

Wir lassen den Kunden natürlich die Wahl und wollen sicher nicht das Fliegen verbieten oder dergleichen. Es geht aber darum, Alternativen zu bieten, weil es für Nachhaltigkeitsthemen ein wachsendes Bedürfnis gibt. Wir haben uns auch beim Produktportfolio, etwa mit der Lancierung von Slow-Travel-Produkten mit der Marke Travelhouse, bereits innovativ in dieses Terrain bewegt. Explore und Inntravel in Grossbritannien positionieren sich auch bereits sehr stark in diesem Bereich, und sind damit sehr erfolgreich. Wir wollen und müssen als Gesamtkonzern dem Kunden multiple Optionen bieten.

Zum Abschluss noch: Wie ist eigentlich Ihre eigene «Reise-History»? Wohin reisen Sie besonders gerne?

Ich war schon in jungen Jahren eine leidenschaftliche Reisende und zu Studienzeiten natürlich auch als Backpacker unterwegs. Später konnte ich, gerade auch via meine berufliche Tätigkeit, viele Orte der Welt kennen lernen. Ich kenne mich vor allem in Asien und im Nahen Osten besonders gut aus. Auch das Südliche Afrika kenne ich recht gut. Aber ich mag mich nicht auf einen «Lieblingsort» festlegen. Ich entdecke immer gern neue Orte. Das ist jetzt auch mit Familie so geblieben, die Kinder werden sozusagen aufs Reisen getrimmt. Wir konnten kurz vor dem Lockdown noch länger nach Thailand. Man muss jetzt einfach mehr auf unterschiedliche Wünsche und Bedürfnisse Rücksicht nehmen.

In diesem Jahr gehe ich davon aus, dass wir Ferien in Europa verbringen werden. Möglicherweise werde ich dann auch gleich den einen oder anderen beruflichen Besuch nachholen können.

Laura Meyer, CEO Hotelplan Gruppe, sieht ihre Rolle vor allem als Unterstützerin für den Erfolg des Unternehmens. Bild: Hotelplan Gruppe